Was ist eine Gleitsichtbrille?

Eine Gleitsichtbrille ermöglicht stufenloses Sehen vom Nahbereich bis zum Fernbereich.

Bei modernen individualisierten Gleitsichtgläsern kommen neben der klassischen Korrektion für Ferne und Nähe viele weitere Parameter der Brillenglasbestimmung und der Brillenanpassung zum Einsatz.

Entscheidend für die Auswahl und Anpassung des für den Kunden am besten geeigneten Gleitsichtglas sind

  • die finalen Korrektionswerte,
  • die Sehleistung,
  • der Wunsch des Kunden, für welche Nutzung die Brille angefertigt wird,
  • der Augenabstand zur Mittelachse einzeln (welches Gesicht ist schon symmetrisch?),
  • welcher Korrektionswert für die Nähe notwendig ist, u.v.m..

Deshalb ist es nur sinnvoll, vor der Bestellung von Gleitsichtgläser eine vollständige Augenglasbestimmung durchzuführen, damit vollständige Werte zur Korrektion der Augen erarbeitet werden. Dazu gehört auch die prismatische Korrektion. Das Sehen beider Augen zusammen ist wichtig für Gleitsichtgläser! Nur wenn die Augen in Harmonie zusammenarbeiten, ist ein komfortables Sehen mit Gleitsichtgläsern möglich. Das Themengebiet Prisma ist so groß, dass ich dieses gesondert darstellen möchte.

Was kann eine Gleitsichtbrille?

Das Ziel einer Gleitsichtbrille ist, sowohl in der Ferne, in allen Zwischenentfernungen, als auch in der Nähe, wieder klar und deutlich sehen zu können.

Entspanntes Sehen in allen Distanzen, eine sehr gute Zusammenarbeit der Augen und räumliches Sehen (bei beidäugigem Sehen) sind ohne Probleme mit einer Gleitsichtbrille machbar.

Eine Gleitsichtbrille kann in vielen Bereichen des täglichen Lebens helfen:

  • beim Autofahren für eine klare Sicht in der Ferne und gleichzeitig problemloses Erkennen der Instrumente im Auto.
  • beim Spaziergang, z. B. die Natur zu beobachten und ohne Verzögerung dann auf das Smartphone zu schauen und entspannt zu lesen wer anruft oder welche Nachricht eingegangen ist.
  • im Supermarkt die Preise wieder lesen zu können, aber auch die Waren im Regal sehen zu können
  • beim Treppensteigen können Treppenstufen ohne Probleme klar und deutlich erkannt und sicher beschritten werden. (Hierzu muss der Kopf etwas gesenkt werden. Ohne das Senken des Kopfes würden wir durch den Bereich sehen, der für das Lesen zuständig ist. Dieser Bereich des Glases bildet die ersten 40cm vom Auge entfernt deutlich ab, die Treppenstufen hingegen sind weiter weg.)

Wann ist eine Gleitsichtbrille sinnvoll?

Besondere Situationen im Leben erfordern besondere Gleitsichtbrillen.

Unerlässlich ist es deshalb, vor der Gleitsichtglas-Anpassung bestmögliche Informationen über die allgemeinen Lebensumstände zu erfahren. Bei jedem Menschen sind diese schließlich anders.

Viele Arbeitssituationen erfordern entsprechend individuell angepasste Arbeitsplatzbrillen. Beispiele dafür sind:

  • lange Computerarbeit
  • handwerkliche Arbeiten über Kopf über einen langen Zeitraum (dies ist nicht nur notwendig, damit bei der PC-Arbeit der Nacken nicht überstreckt wird. Es kommen auch noch die Aspekte der Sicherheit dazu, wenn beispielsweise auf der Leiter gearbeitet wird.)
  • bei Ärzten, wie z. B. Chirurgen, die im OP zum einen den Operationsbereich präzise und deutlich im Nahbereich sehen müssen, zum anderen aber während der OP auf Bildschirme angewiesen sind, die weiter weg sind, um wichtige Informationen zu bekommen. Oder auch Orthopäden und Radiologen, die schnell und genau kleinste Bereiche auf Röntgen-, MRT- oder CT-Bildern erkennen und beurteilen müssen.

Selbstverständlich gibt es sehr viele weitere Situationen, sowohl im Beruf als auch in der Freizeit, in denen es sehr sinnvoll ist, entsprechend der Situation eine zusätzliche, spezielle Gleitsichtbrille anzupassen. Erwähnen möchte ich hier noch als Beispiel das Musizieren oder stundenlanges Lesen.

Sie sehen, deutliches Sehen ist in fast allen Lebenslagen wichtig. Je mehr Informationen ich im Vorgespräch bekomme, umso besser kann ich Sie beraten und dadurch Probleme und Unverträglichkeiten mit der Brille vermeiden.

Wie funktioniert eine Gleitsichtbrille?

Die Funktion einer Gleitsichtbrille hängt unmittelbar mit der Funktionsweise des Auges zusammen. Durch eine Sehkorrektur mit Gleitsichtgläsern sollen Defizite in jedem Sehbereich ausgeglichen werden.

Die Sehbereiche des Auges kann man vereinfacht in drei Bereiche aufteilen:

  • Nahsichtbereich (bis ca. 40cm vom Auge entfernt)
  • Zwischensichtbereich (ca. 40cm bis 8m vom Auge entfernt)
  • Fernsichtbereich (ab 8m vom Auge entfernt)

Die Alterssichtigkeit ist nun dafür verantwortlich, dass durchschnittlich ab dem Ende des vierten Lebensjahrzehnts die Linse im Auge soweit verfestigt ist, dass das Auge nicht mehr in der Lage ist, ein deutliches Bild in der Nähe oder auch in den Zwischendistanzen zu generieren.

Optimales Sehen im Kindesalter

Wenn wir Menschen das Licht der Welt erblicken, ist die Linse im Auge hochflexibel. Im Kindesalter ist es uns dadurch in den allermeisten Fällen möglich, die Linsen durch bestimmte Muskeln im Auge zusammenzudrücken, so dass sich die Vorder- und die Rückfläche der Linse so nach und nach versteilt. (Um sich das besser vorstellen zu können: Wenn um einen Gummiball eine Schlinge gelegt wird und diese immer enger zugezogen wird, versteilen sich die Flächen des Balles nach rechts und links der Schlinge.)

Durch diese Möglichkeit ist es dem Auge möglich, sich dadurch auf jede einzelne Distanz einzustellen.

Fernsicht

In der Ferne (ab 8 Metern) befinden sich die Muskeln in einer entspannten Situation. Für das Auge ist es egal, ob ein Objekt, welches angesehen wird, 8 Meter, 80 Meter oder noch weiter weg ist. Selbst wenn wir Menschen in den Sternenhimmel sehen, ändert sich an dieser Situation nichts.

Zwischensichtbereich

Alles was aber näher an uns dran ist als diese 8 Meter ist nicht - ohne mehr oder weniger großen Aufwand - deutlich zu sehen. Und da kommt die Muskulatur ins Spiel.

Ab weniger als 8 Metern wird ein Impuls im Gehirn ausgelöst, der die Augen dazu bringt, sich ganz eben ein wenig auf die „erste Nähe“ einzustellen. Das Gehirn fordert immer - aber auch immer - das beste Bild. Je näher das Objekt, welches wir ansehen, zu uns Menschen steht, um so mehr müssen die Muskeln in den Augen die Linse zusammendrücken und damit Schritt für Schritt die Brennweite verkürzen. Bis wir dann in der finalen Leseentfernung von 40 Zentimetern landen.

Gleitsichtgläser für den Zwischensichtbereich

Diese Differenz zwischen Nah- und Fernsichtbereich, sind der Grund dafür, dass eben zwei Stärken, wie bei einem Bifokalglas, leider nicht ausreichen, um in all diesen Distanzen zwischen Ferne und der Leseentfernung dem Auge ein deutliches Bild zu liefern, wenn die Muskeln es nicht mehr schaffen, die Linse so zu versteilen, sich auf jede Brennweite einzustellen.

Ab wann brauche ich Gleitsichtgläser?

Ein Kind von 6 Jahren schafft es in aller Regel mit der Nase auf dem Papier oder auch Tablet ein deutliches Bild zu bekommen. Die Linse ist sehr flexibel.

Mit dem 20. Lebensjahr sieht dies schon ein wenig anders aus. Es ist möglich, schon sehr dicht an das Bild heran zu kommen. Ist die Nase aber auf dem Objekt, wird das Bild schon ein wenig undeutlich. Diese Distanz wird von Jahr zu Jahr immer größer, immer weiter muss das Bild vom Auge entfernt gehalten werden.

Ab 40 Jahren

Und ab dem ca. 40. Lebensjahr werden die Arme dann „immer länger“. Dieser „Moment“ ist natürlich eine Schlüssel-Situation. Zum ersten Mal im Leben schafft es der Mensch nicht mehr mit Bordmitteln, das Bild in der Nähe deutlich zu stellen, ohne die Arme zu „verlängern“. Der Schrei nach augenoptischer Hilfe wird laut.

Genau jetzt ist der Moment, an dem es absolut Sinn macht, sich die erste Gleitsichtbrille anpassen zu lassen. Der eigentliche Prozess der Verfestigung der Linse taucht also nicht spontan auf, sondern ist ein Vorgang, der sich in den vorherigen Lebensjahrzehnten schon entwickelt hat.

Ab 50 Jahren

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten verfestigt sich die Linse dann immer mehr. So, dass nach und nach immer geringere Einstellmöglichkeiten der Linsen in unseren Augen entstehen. Je unflexibler die Linse wird, umso mehr Stärkenunterschiede (Radien) müssen in das Gleitsichtglas gearbeitet werden.

Ab 60 Jahren

Mit ca. 60 Jahren wird dann nahezu das „Endstadium“ dieser Verfestigung der Linse erreicht. Nun müssen so gut wie für jeden einzelnen Zentimeter zwischen der Leseentfernung (0,4 Meter) und der Ferne (8 Meter) unterschiedliche Stärken in das Glas gearbeitet werden.

Das Einstiegsalter – je früher, desto einfacher

Somit ist zu erkennen, dass mit jeder weiteren, zusätzlichen Stärke der Zwischen- und Nahbereich des Gleitsichtglases nach und nach schmaler wird.

Wird mit der Anpassung mit ungefähr 40 Jahren begonnen und in kleineren Schritten die zusätzliche Unterstützung in den folgenden Jahren verstärkt, sind wenig Probleme in der Umstellung auf die neuen Gläser zu erwarten.

Wenn mit ca. dem 40. Lebensjahr die erste Gleitsichtbrille angepasst wird, sind die Blickfelder für die Ferne (blau), dem Zwischenbereich (grün-gelb) und der Nähe (rot) sehr groß. Dieser Umstand sorgt für eine komfortable Situation, wenn mit dem Tragen der Gleitsichtbrille früh angefangen wird.

Ab dem 50. Lebensjahr werden die nutzbaren Blickfelder für die Ferne (blau), dem Zwischenbereich (grün-gelb) und der Nähe (rot) kleiner. Im Verhältnis zum 40. Lebensjahr hat die Linse im Auge an Flexibilität verloren. Die Differenz dessen, was die Linse nicht mehr schafft, muss zusätzlich in das Glas eingearbeitet werden.

Mit dem 60. Lebensjahr wird noch mehr Unterstützung in der Nähe benötigt. Wie zu erkennen ist, sind die grauen Bereiche nun deutlich ausgeprägter. Wie auch bei dem Bild des 50- jährigem zu erkennen, liegt die Verkleinerung des Blickfeldes an der benötigten, zusätzlichen Korrektion.

Warum ist Präzision so wichtig?

Umgekehrt bedeutet dies auch:

  • Je mehr Unterstützung die Gleitsichtgläser bieten, umso genauer muss die Anpassung durchgeführt werden.
  • Je älter der Mensch ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Unverträglichkeiten kommt, wenn die Gläser nicht präzise eingearbeitet und angepasst werden.

Oft ist zu hören, dass das Treppensteigen mit Gleitsichtbrillen entweder nicht möglich oder nur sehr unsicher möglich ist. In diesen Fällen liegen oftmals Fehler in der Anpassung der Gleitsichtbrille vor. So kann es sein, wenn z.B. beim Blick in die Ferne der Kopf gesenkt oder zum Lesen der Kopf stark angehoben werden muss. Eine individuelle Prüfung ist in diesen Fällen auf jeden Fall zu empfehlen.

Auswirkungen von Fehlern bei der Anpassung

Die Auswirkungen von Fehlern bei der Anpassung von Gleitsichtbrillen kann der nebenstehenden Grafik entnommen werden.

Dazu ein Beispiel: Ein 50-jähriger Gleitsichtbrillenträger benötigt einen Nahzusatz von 2,5 Dioptrien (dpt). In der unteren, horizontalen Ebene markieren wir uns 2,5 dpt. Angenommen, die Zentrierung ist um 2mm falsch angepasst worden, dann folgen wir dem oberen roten Graphen in der Grafik bis zum senkrechten Strich von 2,5 dpt. Auf der linken Skala können wir nun an der Kreuzung der beiden Striche den Verlust des nutzbaren Blickfeldes ablesen. In diesem Fall beträgt dieser ca. 54%.

 

Warum ist Qualität so wichtig?

Viele Glashersteller, jeder Glashersteller bietet unterschiedliche Gläser an und diese werden dann auch noch in unterschiedlichen Materialien gefertigt.

Um Probleme mit Gleitsichtgläsern zu vermeiden ist es wichtig, das für SIE sinnvollste Glas auszusuchen. Für diese Auswahl gilt es auch hier wieder, viele unterschiedliche Parameter und Informationen über Ihr Sehen zu erarbeiten und zu wissen.

Die meiner Erfahrung nach besten und genauesten Gläser stellt die Firma Carl Zeiss her. Sie gewährleisten präzise und hochwertigste Ergebnisse.

Sind Gleitsichtgläser gewöhnungsbedürftig?

Wenn Sie Ihre neue Gleitsichtbrille bei uns abholen, erleben Sie in ca. 90% aller Fälle sofort ein deutliches Bild in allen Distanzen. In ca. 10% der Brillenabgaben kann es passieren, dass die Muskulatur der Augen wenige Minuten benötigt, um loszulassen. Dies passiert, wenn z.B. der Unterschied zwischen der bisherigen Brille und der Neuen groß ist. Das Gehirn fordert von den Augen immer ein klares Bild. Deswegen müssen Ihre Augen u. U. vor der Brillenabgabe noch Höchstleistungen vollbringen.

Wie in den Grafiken oben zu erkennen ist es wichtig, so früh wie möglich mit Gleitsichtgläsern anzufangen. Je früher, je einfacher.

Seien Sie nicht mutlos, wenn Sie z.B. jenseits des 60. Lebensjahres sich Ihre erste Gleitsichtbrille anpassen lassen möchten. Wir stehen Ihnen mit Fachkompetenz zur Seite, erklären Ihnen alles, bereiten Sie auf die Gleitsichtbrille vor und nehmen uns für die Abgabe sehr viel Zeit, um Sie bei Ihren ersten Schritten mit Ihrer neuen Gleitsichtbrille „an die Hand“ zu nehmen. Unsere älteste Kundin hat mit 92 Jahren ihre erste Gleitsichtbrille bekommen und benötigte nur wenige Stunden, um voller Zufriedenheit mit der neuen Gleitsichtbrille zurecht zu kommen.

Fassungsauswahl bei Gleitsicht

Für viele Probleme mit Gleitsichtbrillen ist die Brillenfassung verantwortlich.

Deshalb messen wir erst und suchen dann mit Ihnen zusammen die für Sie passende Brillenfassung aus.

Dadurch können wir viel mehr Sicherheit generieren. So ist es dann möglich, die für Sie erforderliche Korrektion mit den technischen Daten der Fassung zu kombinieren.

Hier sind Parameter, wie die Vorneigung der Brillenfassung, der Winkel der Gläser in der Horizontalen zueinander, der Abstand der Augen zum Brillenglas u.v.m., wichtig.

Sorgfältig werden wir alle erforderlichen Daten zusammen erarbeiten, selbstverständlich in aller Ruhe und ohne Störung.

Geschichte der Gleitsichtbrille

loc.gov, Manuscript Division, B. Franklin Papers

Um ca. 1770 hat Benjamin Franklin das Bifokalglas erfunden. Es wurden zwei Linsen mit unterschiedlichen Wirkungen durchtrennt. Nun wurde die ein Hälfte genommen, die die Ferne korrigiert und zusätzlich die Hälfte, die die Nähe deutlich darstellt. An den jeweiligen Trennkannten wurden diese unterschiedlichen Gläser dann wieder zusammengekittet. Für eine sehr lange Zeit war das Bifokalglas nun die Lösung für Menschen, die in der Ferne eine andere Korrektion benötigen als in der Nähe. Der Nachteil dieses Glases ist aber, dass zwar in Ferne und Nähe deutlich gesehen werden konnte, aber der Zwischenbereich war undeutlich.

Das war der Grund dafür, dass im Laufe der Geschichte der Startschuss für die ersten Versuche fiel, ein Glas zu entwickeln, welches in allen Distanzen ein deutliches Bild liefert.

Nach ersten Versuchen erreichte dann ein Glas 1956 die Marktreife. Bernhard Maitenaz (Société des Lunetiers) meldete sein Gleitsichtglas zum Patent an. Seit 1970 fertigt Carl Zeiss Gleitsichtgläser mit dem Namen Gradal. Das damals moderne und innovative Gleitsichtglas Gradal HS wurde 1983 erfunden und mit Erfolg vertrieben. Bei diesem Glas wurde die gleichmäßigere Abbildung bei Blickbewegungen für das rechte und das linke Auge optimiert. Dieses Glas ist das Fundament für eine Reihe weiterer Entwicklungen von Gleitsichtgläsern. Immer mehr wurden diese Gläser individualisiert – bis zum heutigen Tage.

Heute sind Gleitsichtgläser von Carl Zeiss nicht nur „Maßanzüge“ mit denen gesehen wird. Es sind High-Tech-Gläser, die sehr viel Fachwissen in der Anpassung fordern. Die Oberflächen dieser Gläser werden auf 1/1000mm ausgearbeitet. Für jede Gleitsichtbrille muss im wahrsten Sinne des Wortes Maß genommen werden und ein Plan entwickelt werden. Jeder Mensch ist individuell – jede Gleitsichtbrille ist es auch!!!